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Auschwitz-TV: Reflexionen des Holocausts in Fernsehserien

Studie zeigt, welchen Einfluss fiktionale TV-Serien auf die Erinnerungskultur an nationalsozialistische Verbrechen im Dritten Reich haben

Wiesbaden, 13. Januar 2015

978-3-658-05876-0  © SpringerAm 27. Januar jährt sich die Befreiung des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz zum 70. Mal. „Die fiktionale Darstellung des Dritten Reiches, wie wir sie heute aus Büchern, Filmen und Serien kennen, war nicht immer selbstverständlich“, sagt Marcus Stiglegger. Erst in den 1960er Jahren ließen sich viele nicht mehr vom Tabu einschüchtern, das in der Nachkriegszeit noch Verdrängung und Verschweigen nahe gelegt hatte. Ein Schlüsseljahr sei 1978 gewesen, als etwa 100 Millionen Zuschauer die vierteilige Miniserie Holocaust im US-Fernsehen verfolgten, die im Jahr darauf in Deutschland ein Publikum von 16 Millionen erreichte. In einer filmanalytischen Pionierarbeit hat Marcus Stiglegger jetzt untersucht, welches Bild der historischen Ereignisse diese und später auch andere TV-Produktionen inszenieren und welchen Einfluss dies auf die Erinnerungskultur an nationalsozialistische Verbrechen im Dritten Reich hat. Die unter dem Titel Auschwitz-TV bei Springer VS veröffentlichten Ergebnisse widerlegen die häufige Klage, dass Fernsehserien die Judenverfolgung ausschließlich als ein auf Familiengeschichten heruntergebrochenes Melodram behandeln.

„Kunst muss auf die Dauer selbst in die Zone des Unvorstellbaren eindringen dürfen“, schreibt Thomas Koebner im Vorwort des Buches. Auch wenn die Abbildung der nationalsozialistischen Verbrechen in den Konzentrationslagern immer zu kurz greifen wird, hält der renommierte Exilforscher die Mediatisierung des Holocausts in Film und Fernsehen für wichtig: „Der Mut, sich darauf einzulassen, ist unverzichtbar für eine Erinnerungskultur, die primär den Verwicklungen der Opfer durch Einfühlung näher kommen will – und sich der Moral einer Aufklärung verpflichtet sieht, da es darum geht, mitmenschliche Solidarität zu beschwören.“ Filme und Fernsehserien erreichten dabei ein Publikum, das über die kulturelle Kaste hinausgehe. Daher sei es auch nicht dem Büchermarkt, sondern erst der amerikanischen Serie Holocaust gelungen, den Begriff für den Massenmord an Juden in aller Munde zu bringen. Es folgten zahlreiche weitere Filme und TV-Serien, die mit Hilfe traditioneller Ästhetik etwas von dem ins Gedächtnis rufen, was den nationalsozialistischen Genozid ausmacht: „Marcus Stiglegger hat diese Produktionen im vorliegenden Buch gewürdigt – und zwar in einer Weise, die bemerkenswert frei ist von Vorurteilen und Denk-Schablonen.“

Stiglegger diskutiert in seiner Studie die Reflexion des nationalsozialistischen Genozids anhand von Fernsehserien, die im deutschsprachigen Raum seit dem Zweiten Weltkrieg zu sehen waren: „Berücksichtigt wurden vor allem Serien, die sich explizit der aus dem populären Bildarchiv geschöpften Ikonographie des Holocausts bedienen: Standardsituationen wie Verhaftung, Ghettoleben, Deportation, Lageralltag, Vernichtung und Tortur sowie Flucht verbinden die ansonsten eher unterschiedlichen Beispiele.“ In der Untersuchung gehe es ausschließlich um die fiktionalisierte und dramatisierte Vermittlung von Zeitgeschichte in serieller Form. Prototypische Beispiele neben der Miniserie Holocaust sind War and Remembrance / Feuersturm und Asche (1988), Ein Stück Himmel (1982), Klemperer – Ein Leben in Deutschland (1999) und Archiv des Todes (DDR 1982). Dazu kommen Serien aus anderen Ländern wie Martin Grey – Schrei nach Leben (Frankreich 1985). Ebenso wird das Vorkommen in einzelnen Serienfolgen thematisiert – wie zum Beispiel die Entdeckung des Konzentrationslagers in Band of Brothers (2009).

Mit dem Titel seines Buches Auschwitz-TV will Stiglegger die fokussierte mediale Ikonographie des Holocausts zeigen: „Auschwitz repräsentiert den Schrecken der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in seinem ganzen Umfang und ist in Film und Fernsehen damit zum Synonym für Zwangsarbeit, Gaskammern, die Tag und Nacht betriebenen Krematorien und die ‚medizinischen’ Experimente geworden.“ Die im Titel mitschwingende zynische Assoziation einer Fernsehsendung „live aus Auschwitz“ trage der Popularisierung im „Heimmedium“ TV bewusst Rechnung und reflektiere die um 1980 auch in Deutschland intensiv geführte Diskussion über die Fiktionalisierung des Holocaust. Das Buch ist die erste wissenschaftliche Arbeit über den Einfluss von narrativen Fernsehserien auf die Erinnerungskultur an nationalsozialistische Verbrechen im deutschsprachigen Raum.

Dr. phil. habil. Marcus Stiglegger lehrt Film- und Kulturwissenschaft an der Universität Mainz.

Marcus Stiglegger
Auschwitz-TV
Reflexionen des Holocaust in Fernsehserien

2015, 108 S., 53 Abb.
Softcover € 29,99 (D) | € 30,83 (A) | sFr 37.50 (CH)
ISBN 978-3-658-05876-0
Auch als eBook verfügbar

Bild: Coverabbildung des neuen Buchs Auschwitz-TV von Springer VS | © Springer

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