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Organisationsberatung, Supervision, Coaching - Call for Papers: Beratung zwischen Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit

Mit seinem Konzept der „Unverfügbarkeit“ beschreibt Hartmut Rosa, was es braucht, damit wir in Resonanz mit der Welt gehen (Rosa, 2020) und berührende Beziehungserfahrungen machen können. Das Unberührte, Spontane, Nichtgesteuerte, das, was sich der Kontrolle entzieht und sich rarmacht kann in uns Freude, Überraschung und Faszination, aber auch Angst und Unsicherheit auslösen. Es kommt ungeplant daher, es lässt sich nicht erzwingen. Vielleicht lassen sich gerade einmal die Voraussetzungen schaffen, damit es wahrscheinlicher wird. Mehr jedoch nicht. Es ist wie der erste Schnee. Kommt er? Und wenn ja, wann? Wenn es dann geschneit hat und wir morgens aus dem Fenster schauen, sind wir berührt und erfüllt mit Freude. Ein Resonanzmoment. Eine Verbindung mit der Welt ist entstanden. Wir werden Teil davon. Wir schwingen mit, wir spüren Zugehörigkeit und Erfüllung. Ganz anders wäre es, könnten wir den ersten Schnee jederzeit bestellen. Er hätte jeglichen Zauber verloren.

Am Beispiel des ersten Schnees, lässt sich das Konzept der Unverfügbarkeit am besten illustrieren. Unsicherheit, Unberechenbarkeit, Widersprüchlichkeit oder einfacher gesagt, die Nicht-Beherrsch-barkeit der Welt, ihre Komplexität, ist nicht nur ein Phänomen, dem wir ausgeliefert sind und das in uns Stress und damit den Drang nach Kontrolle und Beherrschbarkeit erzeugt. Komplexität ist auf der anderen Seite ganz wesentlich dafür verantwortlich, dass wir positive Welterfahrungen machen können, denn alles Vorhersagbare, Erwartbare, Steuerbare also Verfügbare ist seines Zaubers beraubt. Es wäre langweilig, uninteressant und spannungslos.

Wir Menschen befinden uns demnach in einem Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeit und Unverfüg-barkeit. Die Komplexität der Welt und die damit verbundenen Phänomene von Unsicherheit, Ambiguität, Vielschichtigkeit und Vernetztheit und Folgelastigkeit lösen in uns den Wunsch nach Kontrolle und Steuerbarkeit aus. Seit jeher versuchen wir Menschen uns die Welt verfügbar zu machen. Das ist auch gut so, denn so können wir unser Überleben sichern. Gleichzeitig berauben wir die Welt damit Stück für Stück ihres Zaubers und verlieren den Kontakt zu ihr. Was uns bleibt, sind dann die geplante Überraschung, die aktive Entspannung, die gekaufte Spannung oder die designte Kreativität. Alles jederzeit und überall. Auch die Agile Transformation lässt sich hier verorten: Durch angeordnete Unverfügbarkeit soll Neues und Kreatives schneller entstehen.

  • Welche Rolle kann das Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit für die Beratung, das Coaching, die Supervision im Kontext von Organisationen spielen?
  • Welche Rolle spielen Überraschung und Kreativität in der Beratung?
  • Sind Coaches und Berater vielleicht gerade die, die dem Kontrollbedürfnis von Organisationen interessante Unsicherheiten entgegenbringen müssen?
  • Können impulsgebende und irritierende Begegnungen, die Neues und Anderes ermöglichen, nicht nur aus der Unverfügbarkeit heraus entstehen?
  • Was bedeutet es, wenn Tools und Methoden, also die Toolisierung als Verfügbarkeitsideal, Machbarkeit und Steuerbarkeit suggerieren und dabei Möglichkeiten für Unvorhergesehenes eingeschränkt werden?
  • Wie trägt der zunehmende Einsatz von KI in Organisationen und in der Beratung dazu bei, die Welt noch vorhersehbarer zu machen?
  • Wie verfügbar müssen auch wir als Berater:innnen und Coaches sein für unsere Kunden sein oder besteht unserer Wirksamkeit nicht gerade auch in einer gewissen Unverfügbarkeit?

Für das Heft 2/2025 der OSC rufen wir auf, Artikel einzureichen, die sich mit den aufgeworfenen Fragen beschäftigen wollen. Dabei sind Theorieartikel, Erfahrungsberichte, Reviews, Diskussionsbeiträge, empirische Untersuchungen, Praxisbeispiele willkommen. Thematisch kann es dabei um das Rollenverständnis von Beratung, die Wirksamkeit von Beratung, Methoden, Tools und Vorgehens-weisen, die Funktion von Beratung, aktuelle Organisationsdynamiken etc. gehen. Wir wollen alle, die Interesse an einer Mitwirkung haben dazu anstiften, auf Basis des Begriffs „Unverfügbarkeit“ theoretisch und praktisch zu improvisieren.

PD Dr. Thomas Bachmann, Mitherausgeber der OSC

Referenz: Rosa, H. (2020). Unverfügbarkeit. Suhrkamp.


Hinweise für Autoren

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