Die Ergebnisse der Hamburger Studie machen deutlich, dass die bisherige Behandlung der Intersexualität, die das Ziel einer möglichst eindeutigen Geschlechtszuweisung verfolgt, eine Vielzahl von chirurgischen und hormonellen Interventionen beinhaltet. Über die Hälfte der Teilnehmer wurde an ihren Genitalien (oft mehrfach) operiert, um diese dem Zuweisungsgeschlecht anzupassen und/oder eine sexuelle Funktionsfähigkeit zu ermöglichen. Die meisten Interventionen erfolgten in der Kindheit und frühen Jugendzeit, zu einem Zeitpunkt also, in dem die Teilnehmer nur bedingt einwilligungsfähig waren und auch nur bedingt die langfristigen Konsequenzen einer solchen Intervention abschätzen konnten.
Bei der Behandlungszufriedenheit findet die Studie ein heterogenes Bild: Ein Drittel bewertet geschlechtsangleichende Operationen als zufriedenstellend bzw. sehr zufriedenstellend, ein weiteres Drittel ist unzufrieden bzw. sehr unzufrieden und das letzte Drittel ist z.T. zufrieden, z.T. unzufrieden. Hierbei zeigte die Auswertung der Ergebnisse, dass ein großer Teil der Probanden viele Behandlungsaspekte negativ erlebt hatten. Besonders der Umgang des medizinischen Personals mit den Patienten und die Weise, auf der die Diagnose kommuniziert wurde, standen im Kreuzfeuer der Kritik.
Wurden die Studien-Teilnehmer nach Verbesserungswünschen bei der Behandlung gefragt, waren psychologische Unterstützung und altersgemäße, offene Aufklärung bzgl. der Diagnose an vorderster Stelle zu finden. Insgesamt zeigt sich, dass das Ziel der Behandlung – eine möglichst eindeutige Geschlechtszuweisung – meist nur durch eine Vielzahl an chirurgischen Eingriffen und durch Hormongaben zu erreichen ist. Dies sollte sowohl unter medizinischen als auch psychologischen Gesichtspunkten hinterfragt werden: Im überwiegenden Teil der Fälle ist eine medizinische Indikation nicht vorhanden, weshalb ein Hinausschieben der Entscheidung und Behandlung in ein entscheidungsfähiges Alter zu überlegen ist. Es scheint daher in den meisten Fällen sinnvoll zu sein, die Entscheidung pro oder contra geschlechtskorrigierender Eingriffe auf ein Alter zu verlegen, in dem die Patienten urteils- und einwilligungsfähig sind.
Verfasser dieses Themas der Woche: Christian Schäfer