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Mehr Transparenz für Brüssel

Das Lobbying auf europäischer Ebene boomt | Erste wissenschaftliche Diskussion zu den jüngsten Brüsseler Lobbying-Skandalen bei Springer VS erschienen

Wiesbaden, 06. November 2014

© SpringerIm Oktober wurde der frühere österreichische Innenminister und EU-Abgeordnete Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Protagonist der „Cash-for-Amendments-Affäre“ ist ein Beispiel von vielen, erklärt Doris Dialer: „Üppige Abendessen, geheime Absprachen und Drehtüreffekte zwischen Politik und Wirtschaft durch zu kurze Abkühlphasen nach Ende eines Mandats – dem EU-Lobbying eilt ein schlechter Ruf voraus.“ Nach Meinung der Expertin ist versuchte Einflussnahme als Bestandteil europäischer Gesetzgebungsprozesse nicht per se zu verurteilen, wohl aber die mangelnde Transparenz. Vielversprechend seien die aktuellen Aussagen der EU-Kommission: Bereits vor seinem Amtsantritt vor fünf Tagen konstatierte der neue erste Vizepräsident Frans Timmermans die Notwendigkeit eines rechtlich verbindlichen Transparenzregisters und kündigte einen entsprechenden Vorschlag an. Im gerade bei Springer VS erschienenen Buch Lobbying in der Europäischen Union versammelt Doris Dialer gemeinsam mit Margarethe Richter Autoren, die zum Großteil in der „Brussels Bubble“ verortet sind und wertvolles Insiderwissen in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einbringen.

„Die Brüsseler Lobbying-Szene gilt als besonders korrupt und intransparent“, sagen Doris Dialer und Margarethe Richter. Skandale wie der um Strasser oder der als „Dalligate“ bekannt gewordene Vorfall rund um die Tabakproduktrichtlinie und den ehemaligen EU-Gesundheitskommissar John Dalli haben das negative Image in den letzten Jahren weiter verstärkt und zahlreiche Begleiterscheinungen mit sich gebracht: „Seither treten Lobbyisten lieber als Interessenvertreter, Consultants oder Public Affairs Manager auf, und die Anti-Lobbying-Front – wie zum Beispiel ALTER-EU, LobbyControl oder Transparency International – macht vermehrt Druck.“ Dennoch boomt die Branche: Mit geschätzten 15.000 bis 20.000 Personen, die im weitesten Sinn als Lobbyisten in Brüssel tätig sind, sei man gerade dabei, Washington D.C. als „Lobbying Hot Spot“ den Rang abzulaufen: „Das Mehrebenen-System der EU hat sich zu einer großen politischen Arena und damit auch zu einer ‚Spielwiese‘ für Lobbyisten entwickelt.“ Durch diese verschärfte Konkurrenzsituation in der Branche habe sich das Anforderungsprofil für Lobbyisten verändert und der Professionalisierungsdruck erhöht.

Dass Lobbying im Sinne einer klassischen seriösen Interessenvertretung in einem dynamischen politischen System eine positive Rolle spielen kann, bezweifelt nach Meinung von Margarethe Richter niemand. Vielmehr sei es für Unternehmen, Verbände und Organisationen aller Art in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, die EU-Entscheidungsprozesse zu begleiten. Gleichzeitig bestätigen auch die Akteure in den politischen Institutionen, dass sie auf das Spezial- und Fachwissen von Interessenvertretern bis zu einem gewissen Grad angewiesen sind. Das Problem ist die halbherzige und damit ineffiziente Regulierung, der die Brüsseler Lobbyisten unterworfen sind, so Richter weiter: „Der Grat zwischen dem mittlerweile verbrieften Recht auf Teilnahme am demokratischen Prozess und der versuchten illegitimen Einflussnahme, auf dem die Interessensvertreter täglich wandeln, ist schmal.“ Dialer und Richter fordern mehr Transparenz: „Ein verpflichtendes Lobbyisten-Register könnte in Verbindung mit dem gerade auch wieder mit Nachdruck geforderten legislativen Fußabdruck der Abgeordneten einen wesentlichen Beitrag leisten.“

Der Sammelband stellt die theoretischen Aspekte von Lobbying auf europäischer Ebene dar und beleuchtet zudem die für Außenstehende wenig durchschaubare Praxis. Viele der Autoren haben zu diesem Zweck ihre Beiträge mit subjektiven Bewertungen aus Akteurs- oder Adressatensicht angereichert. Anhand konkreter Fallanalysen zu den jüngsten Brüsseler Lobbying-Skandalen werden erstmals Regulierungs- und die damit verbundenen Rechtsfragen wissenschaftlich diskutiert. Daran anschließend werden neuere Tendenzen wie beispielsweise das Lobbying von Universitäten und Forschungseinrichtungen oder der ICT-Branche dargestellt.

Mag. Dr. Doris Dialer arbeitet im Europäischen Parlament. Sie ist Dozentin an der Universität Innsbruck, der Donau-Universität Krems und an der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin.

Margarethe Richter arbeitet seit über 10 Jahren im Europäischen Parlament und ist externe Lehrbeauftragte an der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin.

Doris Dialer | Margarethe Richter (Hrsg.)
Lobbying in der Europäischen Union
Zwischen Professionalisierung und Regulierung
2014, 342 S., 9 Abb.
Softcover € 29,99 (D) | € 30,83 (A) | sFr 37,50 (CH)
ISBN 978-3-658-03220-3
Auch als eBook verfügbar

Bild: Coverabbildung des neuen Buchs Lobbying in der Europäischen Union von Springer VS | © Springer

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